Euridice - Szenen aus der Unterwelt (2001/2002) für 1 tanzende Vokalistin, 3 Sängerinnen/Erzählerinnen, Tänzer, Baßflöte, Kontrabaßklarinette, Violine, Violoncello, Kontrabaß, Klavier/Keyboard, Schlagzeug und Elektronik
(UA Bielefeld, September 2002) Dauer: 55 min
Text: Karin Spielhofer
Kompositionsauftrag des Theaters Bielefeld, Reihe ‚visible music’
UA: 20. September 2002, Theater Bielefeld
Anna Clementi, Sonja Heiermann, Simone Tschöke, Stefanie Hanf,
Oh-Ton Ensemble, Tänzer des Theaters Bielefeld
Inszenierung: Michael Hirsch
Dramaturgie: Roland Quitt
Aus dem Programmheft:
Die Idee, die ganze Orpheus-Geschichte aus der Perspektive Euridices zu schreiben, kam mir vor langer Zeit. Ich fand es immer schon interessant, daß der wunderbare Gesang des Orpheus (und die angeblich erste ‚echte‘ Oper) an das Verschwinden, an den zweifachen Tod der weiblichen Hauptfigur geknüpft ist und man in den verschiedenen Geschichten und Interpretationen des Mythos kaum etwas über Euridice erfährt.
Der Überlieferung nach ist ja Euridice kurz vor ihrer Hochzeit von einer Schlange gebissen und in die Unterwelt gebracht worden (eine verharmlosende Umschreibung ihrer Vergewaltigung durch den Bienengott Aristeos). Als Orpheus sie zurück auf die Erde holen will und sich entgegen dem Gebot der Götter nach ihr umwendet, verbannt er sie durch seinen Blick für immer in die Unterwelt.
Doch wer ist Euridice dort, an diesem Unort? In keiner der verschiedenen Geschichten und Interpretationen des Mythos von Orpheus erfahren wir etwas über ihr Dasein, über ihr Schicksal ebendort. Ist sie noch ein menschliches Wesen, noch eine Frau? Besitzt sie dort noch ihren schönen Körper, die ihr eigenen Bewegungen und Gesten, den Wohlklang ihrer Stimme, eine Sprache? Was fühlt sie? Worauf fällt ihr Blick? Was sieht sie? Und wie könnte man eine Geschichte Euridices/also ihre Geschichte erzählen?
I.t.S.
Hörbeispiel aus dem ersten Satz
Hörbeispiel aus dem 2. Satz
Hörbeispiel aus dem letzten Satz
Presse:
Deutschlandfunk, Musikjournal, 23. September 2002
“Das zentrale Moment bilden Stimme und Stimmen. Sie flüstern und klagen, versuchen zu Worte zu kommen, erinnern, rekonstruieren. Iris ter Schiphorsts Kammeroper Eurydike, Szenen aus der Unterwelt reibt sich am Mythos des Schweigens…Die Berliner Komponistin vermutet eine kulturgeschichtlich verschüttete Schicht und fragt nach der Selbstreflektion der von Monteverdi bis Gluck stets verstummenden Frau….Gestisch-tänzerische Darbietung, Gesang, Verbalkommentar und Instrumentalpart gehen in dieser Arbeit auf beredte, berührende Weise zusammen…” (Frank Kämpfer, WDR)
Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. September 2002
‚Das Schweigen seliger Meister‘/ Szenen aus der Unterwelt: Drei Orpheus-Opern am Theater Bielefeld uraufgeführt
… Das ist Iris ter Schiphorsts „Eurydike – Szenen aus der Unterwelt“ im Theater am alten Markt als Eröffnungsteil (…) in seiner musikalischen Struktur aber wesentlich einprägsamer und nicht zuletzt in seinem konsequenten Blick auf die vom Mythos vernachlässigte Eurydike moderner als die beiden folgenden Teile des Orpheus-Zyklus. Mit wenigen instrumentalen Schlangenlinien von Cello und Violine zu Beginn gelingt es ter Schiphorst weit suggestiver, Atmosphäre zu schaffen, als es ihre Komponistenkollegen mit all dem akustisch-visuellen Brimborium vermögen…
von Wolfgang Sandner
link zum Interview von Frank Kämpfer mit Iris ter Schiphorst in ‘Neue Musikzeitschrift’ zum Thema Euridice oder der Topos des Verschwindens