Breaking (2012) für verstärktes Ensemble, Sampler und live-Elektronik
Auftragskomposition des Ensemble Mosaik
UA: 13. 12. 2012 Berghain/Berlin
Ensemble Mosaik, Enno Poppe
Breaking (für verstärktes Ensemble, Sampler und live-Elektronik) bezieht sich u.a. auf den Film ‚Breaking the waves’ von Lars von Trier. So entspricht der zeitliche Verlauf des Stückes proportional in etwa dem des Films, der auf der ‚story-line’ in der Partitur angedeutet ist. Die Ortswechsel im Film werden zum Teil entsprechend in Taktwechseln markiert und darüberhinaus bestimmten Instrumentenkombinationen oder Soundfiles zugeordnet. Daneben gibt es aber klanglich noch eine andere Ebene: das ganze Stück ist eingerahmt von ‘dunklen’ auf alle Wände des Berghains projizierten Klängen, die wie ein Klanggewölbe Musiker und Zuschauer einschließen. Durch diese zweite Klangebene wird eine Art ‚Höhlensituation’ geschaffen.Medienphilosophen beschreiben die Höhle als Ort des Rückzugs einerseits und der (”lügenhaften”) Erzählung, der Phantasie und des Gedächtnisses andererseits.Höhlen sind somit Orte der Regression und der Faszination und die Frage ist immer, wie und ob man irgendwann wieder herauskommt (oder überhaupt herauskommen will). Orpheus hat es versucht, aber letztendlich versagt, so wie jede Musik, wenn sie sich aus ihrer eigenen Evolution / ihrem eigenen Höhlen-Grund lösen und zum Beispiel Geschichten erzählen will über - zum Beispiel - den Menschen.Das geschieht eher im Kino, dem möglicherweise populärsten Höhlenort.Etwa in dem Film ‚Breaking the waves’, in dem alle Protagonisten eigentlich das Gute wollen, aber nicht wissen, was sie tun (auch großes Kino): die Wünsche des Anderen erfüllen. Im Film heißt das Liebe. René Girard nennt es ‚mimetisches Begehren’ und das geht niemals ohne Opferung, bzw. ‚nur über ihre Leiche’ wie einmal Elisabeth Bronfen geschrieben hat, auch wenn sie Bess aus ‚Breaking the waves’ noch nicht gekannt haben kann, die am Ende auf grausame Weise ihr Leben lassen wird, ein Opfer (wie merkwürdig, das nur ein f das Opfer von der Oper scheidet), das der liebe Gott zu akzeptieren scheint, wenn er sie am Ende (von Jan aus ihrer Grabes-Höhle befreit) in den Himmel aufsteigen lässt (oh, diese Glocken!), und gleichzeitig dafür sorgt, dass dieser aus seiner eigenen Hölle, aus dem Gefängnis seiner Körperhöhle, wieder auferstehen kann. Aber das ist eine Geschichte. Keine Musik.
Iris ter Schiphorst, Nov.2012