Klang-Erzählungen (2013) für Ensemble
UA: 14.9.2013 Braunschweig, Ensemble Aventure,
Kompositionsauftrag des Ensemble Aventure, gefördert durch die Ernst-Siemens Musikstiftung
Programmhefttetxt:Seit einer Weile schreibe ich an einer Reihe, die ich ‚Dialogisches Komponieren’ nenne. Das bedeutet, dass ich als Ausgangspunkt einer Komposition in einen inneren Dialog trete mit Werken, die mich in Bezug auf mein Vorhaben sehr berühren, interessieren, oder sogar auch abstoßen und diesen ’inneren Dialog’ mit aufnehme in den Kompositionsprozess.Es gibt also in diesen Stücken explizit Bezüge zu ausgesuchten Arbeiten anderer Künstler. In ‚Klang-Erzählungen’ sind es u. a. Werke von Wolfgang Mitterer, Clara Maida, Olga Neuwirth, Helmut Oehring, aber auch Chet Baker sowie ein eigenes älteres Werk.Der Begriff ‚Dialogisches Komponieren’ ist in ‚Klang-Erzählungen’ jedoch noch weiter gefasst. <Als ich mir darüber klar wurde, wie bedeutsam ‚andere’ Musik für mich ist und welch große Rolle sie in meinem Kompositionsprozess spielt, fing ich an mich dafür zu interessieren, wie und warum andere Menschen Musik hören und was Musik für sie bedeutet.Das brachte mich auf die Idee, Interviews zu führen und Menschen nach ihrem Umgang mit Musik zu befragenDie Antworten, die ich erhielt waren so unterschiedlich, wie die Menschen, die ich gefragt habe. Einige dieser Antworten wollte ich in die Komposition einfließen lassen, bzw. sie als eine mögliche ‚Vorgabe’ für den Kompositionsprozess verwenden.So liegen meinem Stück in der Tat unterschiedlichste ‚Klang-Erzählungen’ zu Grunde…Hier einige der Antworten:Ich liebe Musik, die schön ist. Einfach nur schön.Ich mag traurige Musik. Oder Filmmusik. Am meisten traurige Filmmusik.Musik kann mich in bestimmten Situationen am besten trösten…<Ich muss in der Musik irgendetwas wieder erkennen. Es muss mir etwas bekannt vorkommen. Wenn ich nichts wieder erkenne fühle ich mich verloren. Musik darf für mich nicht zu lang sein. Ich liebe kurze Songs. 3 min. oder so. Ich will immer etwas hören, was ich noch nicht kenne, sonst langweile ich mich ganz schnell.Ich höre ein Stück, das ich mag ganz oft hintereinander und jedes Mal höre ich wieder etwas anderes.Ich kann bei Musik gut träumen. An etwas Schönes denken.Eigentlich mag ich am liebsten melancholische Musik.<Ich mag gern ganz ruhige Musik. Also: zum Entspannen.Mir ist es wichtig, dass es in der Musik Abwechslung gibt. Und dass manchmal etwas Unerwartetes passiert…Ich mag in der Musik schöne Farben. Und ich mag, wenn ich mehrere Ereignisse verfolgen kann, die sich gegenseitig ergänzen, aber so, dass diese Kombinationen und Konstellationen immer anders sind.Ich höre Musik immer als Musik, ich höre Musik nie semantisch, im Gegenteil, das stört mich eher…Wenn ich Musik höre, bin ich sofort besser ‚im Schwung’.Für mich ist es total interessant, wenn es Klänge gibt, die ich nicht kenne.Die Form, die Gestalt von einem Musikstück sollte in sich stimmig sein. Das berührt die Ästhetik. Es muss für mich aber auch eine handwerkliche Plausibilität existieren…Ich mag die Überraschungsmomente in einem Musikstück, ich finde, jede Überraschung ist ein Volltreffer für die Aufmerksamkeit.”
Kritik:
Badische ZeitungDie Komposition, die wenige Tage zuvor in Braunschweig aufgeführt wurde, gehört zu vier Auftragswerken der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung. Ausgewählt wurden Werke von Doppelbegabungen, die die Grenzen zwischen den Disziplinen verschwimmen lassen. Neben dem Maler und Komponisten Gerald Eckert gehörte auch Iris ter Schiphorst zu den Auftragskomponisten. Wie “ruins of time” sind auch ihre “Klang-Erzählungen” (2013) aus der Reihe “Dialogisches Komponieren” in klar abgetrennte Abschnitte gegliedert. Ihre musikalische Sprache ist jedoch viel zugespitzter, wenn eine Passage in der Violine (Thomas Hofer) geradezu explodiert oder Akiko Okabe am Flügel klangliche Extreme sucht. Instrumentalgeräusche verbinden sich mit menschlichen Lauten. Es wird gezischt und gebrüllt, ehe am Ende seltsam tonale Strukturen durchschimmern.