Passion 13 - Melodram (2010)
für Sängerin und OrchesterAuftragswerk des Mendelssohn Kammerorchester Leipzig

UA 4.9. 2010 Gewandhaus, Mendelssohn-Saal, Leipzig

Salome Kammer/Mendelssohn Kammerorchester Leipzig/Peter Bruns
Programmhefttext zur UA Pietá oder The grieving Mother stood beside the cross weeping where her Son was hanging oder Passion M. oder Crucifixion Madonna oder The Crucifixion of (the) Madonna oder Madonna in Slum oder Stabat Mater dolorosa oder maria madonna monster medusa oder Silence M. Singing …Maria stellt jenseits jeder religiösen Verengungen eine archetypische, paradigmatische Figur der ‚weiblichen’ Weltwahrnehmung dar. Sie verkörpert die Hoffnung auf die Wende des Schlimmsten in Heil, der Katastrophe in Hoffnung und Utopie. Maria ist die universale weibliche Figur der abendländischen Kulturtradition, die als Kind, Mädchen, Familienmutter, als Gottes-Mutter, aber auch als ganz normale Frau alle Stationen menschlichen Lebens durchläuft. Maria: die Ãœbermutter oder auch nur ein Mensch, sterblich und voller Widersprüche? In Betrachtung der Folterung und Kreuzigung ihres Sohnes in passion 13 (13. Station des Kreuzwegs) legt sie sich Rechenschaft ab über ihr Leben und den Zustand der Welt. Angesichts ihres gedemütigten, hingerichteten und toten Sohnes droht sie jedoch den Glauben an Rettung zu verlieren. Was wollen wir sehen? Was hören? Was können wir überhaupt ertragen und aushalten? Was lassen wir zu?Die Form des Melodrams mit der durchgehenden Figur Maria verlangt von der Vokalistin den inneren Prozess der Figur zu gestalten. passion 13 versucht die zu Unrecht vernachlässigte musikalische Form des Melodrams wieder ernst zu nehmen und ihre Potentiale mit Mitteln der Neuen Musik zu entfalten. Wann berühren uns die „alten“ Geschichten? Wann sagen sie uns heute etwas? Rolle der Musik ist es, sich in die Symbolisierungsprozesse, die im Text aufscheinen, einzumischen, so dass ein Umsymbolisierungsprozess in Gang kommen kann. Wo fängt der Kitsch an, wo das Pathos? Die Verdrängung? Gerade im Pathetischen ist etwas zu befreien und zu retten, nämlich das, was uns an seiner Intensität fasziniert und fesselt, was uns aber immer wieder entzogen wird durch die ‚übergroßen’ symbolischen Schablonen (Klischees), in die unsere Gefühle in verschiedenen gesellschaftlichen Prozessen gepresst werden. Das darin Abgekapselte wäre aufzusprengen, um es wieder ambivalent und neu erfahrbar werden zu lassen – so dass unser eigenes individuelles Gefühl (gegenüber dem Sterbenden, den Toten und dem, was uns an ihnen fasziniert, an Maria und ihrem Muttersein, ihren Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Schmerzen) eine Chance und einen Raum bekommt. Und vielleicht bin ich irgendwann ebenso gewichtig wie der tosende gesellschaftliche Sturm, der mich umpusten will – immer wieder. I.t.S./P.S. August 2010

Go back