Dead Wire (2011)Psychotechnics of Keyboards/a dissociative fugue
für Solo-Klavier, Sampler und live-Elektronik
UA: Festival eclat 2012, Stuttgart, Christoph Grund

Der Pianist ist hier Keyboarder, Performer und ‚Herr über alle Tasten’ zugleich.Auch die Elektronik ist samt sämtlicher Samples ganz in seiner Hand.Das heißt, der Pianist hat neben ‚normalem’ Klavierspielen noch zwei Keybaords zu bedienen, das eine triggert Samples, das andere steuert die live-Elektronik.Mich hatte bei letzterer seinerzeit interessiert, eine Spielweise nach zu bilden, die eigentlich mit dem Klavier (dem Hammerklavier) nicht möglich ist, nämlich den Klang durch Tastendruck zu beeinflussen.Bei Clavichorden war das ja in gewissem Rahmen möglich (Stichwort: Beben). Das Patch ist nun so gestaltet, dass es den angeschlagenen Klang im mikrotonalen Bereich verändern kann (wie gesagt durch Tastendruck auf eines der Keybaords). Zarte winzige Gliss. sind ebenso möglich, wie das Clavichord-typische ‚Beben’, sowie mikrotonale quasi stufenlose auf- und abwärts- Bewegungen.Darüberhinaus kann der Pianist durch die Mikrophonierung den transformierten Klang mit Hilfe eines Volumepedals lauter werden lassen (und je nach Raum Feed-backs erzeugen) sowie mit Hilfe eines Sustainpedals in Echtzeit sein eigenes Spielen aufnehmen und zu einem späteren Zeitpunkt via Tastendruck vorwärts oder rückwärts abspielen.Die ‚echten’, d.h. zuvor editierten Samples bilden einerseits einen Resonanzraum, in dem das Spiel des Pianisten stattfindet (quasi einen Klangumgebung, die den ganzen Aufführungsraum einbezieht), und andererseits ‚Störungen’, musikalische ‚Einsprüche’ etc. Sie wurden hauptsächlich aus meinem Orchesterstück generiert, das ich seinerzeit für Christoph Grund geschrieben, und das er uraufgeführt hat.Die live-Elektronik wird durch die Samples möglicherweise zwar in gewisser Weise ‚verunklart’, aber letztlich bin ich immer wesentlich mehr am Klangresultat, an dem was ich ausdrücken möchte interessiert, als an der klaren Vorführung technischer Möglichkeiten.
Kritiken zur Uraufführung:
Stuttgarter Nachrichten vom 14. 2. 2012
Geradezu spektakulär geriet Christoph Grunds Interpretation von Iris ter Schiphorsts “Dead wire”, in dem der Pianist nicht nur den Flügel traktieren, sondern gleichzeitig auch ein Keyboard bedienen und Bildschirm und Noten im Blick behalten muss. Das Streichen der Flügelsaiten setzte das elektronische Eigenleben in Gang, virtuose Skalen brachten rhythmisch-metrische Entwicklungen in Gang wie eine Dampflokomotive, hohe Tonrepetitionen standen explosiven Donnerwettern und ihrem Nachhall gegenüber. Und das alles begleitete zuweilen noch das Schreien des Musikers. Furios!

Südkurier:
..In den übrigen Konzerten des Festival-Wochenendes bildeten das Klavier als traditionsbeladenes Instrument und die menschliche Stimme die roten Fäden, deren Potenzial von den Komponisten und Komponistinnen erwartungsgemäß sehr unterschiedlich ausgelotet wurde. Voller Poesie und aparten Klangspielen zeigte sich das Klavierstück „réfractions“ von Madeleine Ruggli (interpretiert von Florian Hölscher). Den denkbar größten Gegensatz dazu bildete Iris ter Schiphorsts „dead wire“ für Klavier und Elektronik, ein aufrüttelndes Stück Bruitismus, das Christoph Grund urgewaltig auf die Tasten und ins klangmodellierende Keybord setzte und sich dabei auch noch die Seele aus dem Leib schrie. Das Publikum war begeistert …

NMZ Gerd Rohde:
..-Da griff Iris ter Schiphorst in ihrem „dead wire“ für Klavier und Elektronik energischer zu. Der Pianist muss neben dem Klavier noch zwei Keybords traktieren, von denen das eine die Elektronik steuert. Die klangliche Erweiterung zwischen „zartesten Glissandi“ (Schiphorst) und wuchtigen Klang-eruptionen ist beeindruckend. Auch das Verändern des angeschlagenen Keybord-Tones durch anhaltenden Tastendruck sorgt für klangfarbliche Bereicherungen. Iris ter Schiphorst interessiert natürlich auch und vor allem das technische Verfahren. Aber ihr „dead wire“ ist auch ein interessantes, kraftvolles Musikstück. „Éclat“ 2012 war so abwechslungsreich, spannend und ertragreich wie immer: und auch etwas mehr.

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