Arno Lücker im Programmheft zur UA in Cottbus: 

„Liebe" wird in dem neuen Werk von ter Schiphorst in allen möglichen Facetten besungen – äußerst lyrisch, zart, dann sich selbst ver- und mit sich selbst überwerfend, überbordend, doch schließlich wieder versunken, verinnerlicht …

Die Inspiration für dieses Werk empfing die Komponistin jedoch nicht unbedingt nur aus der musikalischen Beleuchtung des Themas der irdischen Liebe heraus. Denn in der Sopran-Arie „Aus Liebe will mein Heiland sterben" aus der Bachschen Matthäus-Passion wird schließlich die Liebe von Jesus Christus zu den Menschen besungen, also quasi göttliche Liebe.

Aus Liebe will mein Heiland sterben
Von einer Sünde weiß er nichts.
Dass das ewige Verderben
Und die Strafe des Gerichts
Nicht auf meiner Seele bliebe.


Aus der Stille entfaltet sich der erste Ton der Solovioline, „wie ein Flöten aus weiter Ferne". Frei rhapsodisch geht es weiter, in neue Klangzusammenhänge, fast immer mit dem Soloinstrument als „erzählenden Evangelisten" oder besser: als singende, klagende Maria Magdalena, zu den Füßen des gekreuzigten Jesus Christus kniend, weinend …

Nach ein paar Minuten erklingt erstmals ein von Iris ter Schiphorst „Das Weinen der M. M." genannter Abschnitt. Der Solist gestaltet diese Teile fast völlig selbständig, was die Ausformung, die Klang-Schattierung, den Ausdruck anbelangt. Der Rhythmus und der Rahmen des dynamischen Ausdrucks sind dabei undogmatisch festgelegt.

Im letzten Drittel des äußerst facettenreichen und klangvollen Werkes gibt die Violine quasi „Morse"-Zeichen ab. Schnelle, durchbrochene Tonwiederholungsgruppen, unter denen die Komponistin den Anfang des obenstehenden Textes aus der Matthäus-Passion notiert hat. Allerdings sollen die Worte nicht gesprochen werden; sie bilden aber gewissermaßen den „Subtext" solch „sprechender" Stellen und geben den Interpreten Orientierung und die Möglichkeit der Ausdrucksintensivierung- und Bewusstmachung.

Arno Lücker

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