Instrumentation
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Anmerkungen des Komponisten
Wie klingt das Universum? Und wie wird der einzelne Mensch mit der Unendlichkeit von Zeit und Raum konfrontiert, die jenseits der Vorstellungskraft liegt? Ein Auftragswerk für ein Programm mit Strauss’ "Also sprach Zarathustra" und Holsts "Planeten" – wie dieses Stück für das National Youth Orchestra of Great Britain (NYO) – darf sich wohl mit diesen Fragen beschäftigen.

Im September 2015 wurden Gravitationswellen von den Detektoren des Laser Interferometer Gravitational-wave Observatory (LIGO) in Livingston, Louisiana, und Hanford, Washington, USA gemessen. Mit Hilfe dieser höchstempfindlicher Detektoren konnten die Forscher erstmals die Existenz von Schwarzen Löchern nachweisen und für den Bruchteil einer Sekunde hören, wie zwei riesige Schwarze Löcher sich umkreisten und miteinander verschmolzen. Natürlich waren die Schwarzen Löcher wahrscheinlich schon seit Millionen Jahren im Umlauf, aber man konnte sie nicht hören – bis auf die letzten 200 Tausendstel Sekunden dieses Ereignisses. Zuvor war ihre Frequenz selbst für die LIGO-Detektoren zu niedrig.
Auf der Basis dieses gemessenen Signals der Gravitationswellen vermuten die LIGO-Wissenschaftler, dass die beiden Schwarzen Löcher zwischen 29 und 36 Sonnenmassen besaßen und sie etwa 1,3 Milliarden Lichtjahre entfernt sind. Schon vor 100 Jahren hatte Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie die Gravitationswellen vorhergesagt, aber erst durch die Aufzeichnung dieses Signals ist seine Theorie bestätigt.

Für mich sind die faszinierendsten Ideen bei dieser Entdeckung:

  • Wir können einen Klang des Universums hören, der in eine absolut unvorstellbare Zeit zurückreicht und uns offenbart, dass das Universum ein gigantischer, unendlicher Klangkosmos ist – nicht in sphärischer Harmonie, wie die Philosophen und Musiker der Antike und Renaissance lehrten, sondern in einem chaotischen Klanggebilde.
  • Die LIGO Scientific Collaboration (LSC) ist ein Team aus WissenschaftlerInnen und MitarbeiterInnen aus über 80 Nationen. Die Messung war eine internationale Zusammenarbeit von hochprofesionellen Individuen, die ihr Bestes für ein Teamergebnis geben. Nur wenn wir unsere Energien zusammenbringen, erhalten wir ein optimales Resultat. Das trifft sicher auch auf ein Jugendorchester zu. Ich habe daher die Maximalbesetzung des NYO ausgeschöpft, damit alle Mitglieder Teil des Prozesses sind.
  • die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Zukunft: Astrophysiker und Astronomen sind die Archäologen der Vergangenheit und forschen zugleich für die Zukunft der Menschheit.

    Doch was bedeutet diese Entdeckung für das Leben von uns Menschen auf der Erde und unserer Vorstellung von der Unendlichkeit der Raumzeit? Wie Isaac Newton sagt: "Ich kann die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht den Wahn der Menschen."

    Mein Stück geht vom Moment der Entdeckung der Gravitationswellen aus, zurück zur Kollision der zwei schwarzen Löcher vor Milliarden von Jahren und wieder vorwärts in die Gegenwart. Inspiriert hat mich dabei u.a. auch die Metaphorik, die einige Wissenschaftler in diesem Zusammenhang verwendet haben, etwa:
    "Zwei schwarze Löcher kamen sich im Universum so nahe, dass ihre eigene Schwerkraft sie zu einem tödlichen Tanz zwang."

    Insgesamt gibt es 6 Teile, die folgende Überschriften tragen:
    I. The Universe… (Das Universum)
    II. Two Black Holes… (Zwei schwarze Löcher)
    III. Their Deadly Waltz… (Ihr tödlicher Walzer)
    IV. Their Colliding… (Ihre Kollision)
    V. Their Coalescence… (Ihre Verschmelzung)
    VI. 1.3 Billion Light Years Later… (1,3 Milliarden Lichtjahre später)

    ‚Gravitational Waves‘ entstand in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Uros Rojko und verwendet den originalen "chirp sound" der LIGO Scientific Collaboration. Er wird nicht nur auf dem Sampler zugespielt, sondern auch klanglich auf verschiedene Weise vom Orchester gespiegelt.
    Iris ter Schiphorst
    Pressestimmen English

    Pressestimmen
    "Iris ter Schiphorst’s surging Gravitational Waves was inspired by the throb, detected last September, of two black holes colliding more than a billion years ago. She translated this into a ten-minute piece that was as much theatre – the players putting on masks, nodding, swaying and shouting with choreographic precision – as muscularly minimalist music. Both cosmic and comic, it was a dazzling showpiece for virtuoso youth." (Richard Morrison, The Times, 08 Aug 2016)

"Gravitational Waves was inspired by new scientific research validating Einstein, and it summoned a novel and symbolic mix of visual, aural and vocal gestures. The synchrony, whereby the players first wore white or black masks, then embodied the waves of the title in perfectly choreographed movements rippling through the serried ranks, created an arresting counterpoint to the imaginative, otherwordly soundscape realised by Ter Schiphorst and co-composer Uros Rojko. Evanescent and evocative, embracing known and unknown, it captured something of the awesome history and infinity of time." (Rian Evans, The Guardian, 05 Aug 2016)

    "Schiphorst uses sounds from the scientific project heard through a sampler and reflected in the orchestra as well as a broadcast narrative. The soaring brass, scurrying strings and metallic percussion offer a sense of infinity. There is also a strong sense of visual performance, for the musicians don masks, sway in unison, make vocal interjections, and at the end raise their arms in a gesture of hope for the future. It proved an arresting piece to see and one imagines it was enjoyable to present." (Brian Barford, Classical Source, 06 Aug 2016)

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