Erlaube, Fremdling, dass ich dich berühre (2003/2004)
für 1 Mimen, 2 Instrumentalensembles, Videoprojektionen und Cd-Zuspiele
(UA: Dresden, 2004) Dauer: 55 min

(frei nach dem gleichnamigen Anagramm von Unica Zürn aus dem Jahr 1963)

genaue Besetzung:
Stimme, 3 Violinen, 1 Vla, 2 Celli, präp. Klavier/Samplekeyboard, Zuspiele,
Video-Projektion

UA: Oktober 2004, Dresden, Festspielhaus Hellerau
Christian Kesten-Stimme, Gordon MacKay – Violine, Anton Lukoszevieze-Cello, Christoph Grund – präp. Klavier/Sampler, Ensemble 01’ (Andreas Winkler, Ruth Petrovitsch-Violinen; Ulla Bruder – Viola, Enrico Schüler –Cello), E-Gitarre: Daniel Göritz
Video: Susu Grunenberg, Choreographie: Christina Comtesse, Kostüm: Nora Mack

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erste Proben im Festpielhaus Hellerau

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aus der Videoprojektion

Hörbeispiel aus dem 2. Satz

Hörbeispiel aus Ende


Kurzbeschreibung des Projekts
Ich möchte mit auditiven und visuellen Mitteln die ‚weißen Flecken‘ auf der digitalen ‚Landkarte‘ des globalen Netzes ins Spiel bringen; d.h. die Existenz jenes ‚Fremdlings‘ thematisieren, der über keinerlei Zugang zur ‚neuen‘ Informationsgesellschaft verfügt, der nicht ‚dazu‘ gehört. Ich möchte, daß dieser ‚Fremdling‘ nicht verschwindet in den neuen technischen Möglichkeiten; daß dieser ‚Fremdling‘ als ‚weißer Fleck‘ in diesem System wahrgenommen wird; ich möchte, daß seine Abwesenheit ‚auftaucht‘, gedanklich ‚möglich‘ wird; er, den ich nicht kenne. Der aber als ‚Möglichkeit‘ existiert. Der ausgeschlossen ist vom System und doch ‚dazugehört‘. Er, der durch das Netz fällt, der nicht teilnehmen kann an dieser neu entstehenden ‚Symbolischen Ordnung‘. Der ‚draußen‘ ist, irgendwo; von uns nicht vorstellbar, nicht ‚aktuell‘. Und doch vorhanden; als Möglichkeit.

 

Presse:
Sächsische Zeitung vom 17.5.04

Kunstwerke, die sich kritisch mit der Alltagskultur auseinandersetzen, sind selten geworden, denn nur wenige produzierende Künstler sind sich bewußt, neben ästhetischer auch noch soziale Verantwortung zu haben. Iris ter Schiphorst, 1956 in einer deutsch- niederländischen Familie in Hamburg geboren und seit langer Zeit immer wieder in Dresden präsent, gehört da zu den Ausnahmen und scheut sich nicht Stellung zu beziehen. Die deutlichste Ausprägung konnte im Europäischen Zentrum der Künste in Hellerau besichtigt werden. Dort fand die Uraufführung von ‚Erlaube, Fremdling, dass ich dich berühre…‘ statt. Die Komponistin setzt sich in dieser ‚musikalisch-theatralischen Aktion in 5 Teilen‘ zum Thema ‚Mensch und Virtualität‘ mit der informationellen Schieflage auseinander: Nur 10 Prozent der Weltbevölkerung haben Zugang zum Internet. Das ist wieder ein Vorsprung, den die übrigen neunzig Prozent gar nicht oder erst in Jahrzehnten aufholen werden. Keine Gleichheit, sondern Dominanz einer neuen Elite. Ter Schiphorst fragt nach dem Verhältnis des ‚vernetzten‘ Menschen zum ‚Outsider‘, der von der virtuellen Kommunikation abgeschnitten ist, und findet packende Bilder…Dazu eine vielschichtige Musik, die ungemein gestisch ist, und von Trio (Cello, Violine, präpariertes Klavier), Streichquartett und Zuspielband. Die Mittel reichen von verlorenen Einzeltönen bis zu kompakten Klangmassen und Geräuschen…Eindrucksvoll.

Dresdener Neue Nachrichten vom 17.5.04

… eine starke Komponente: die Musik…ein merkwürdiges Hörresultat von Beklemmung und Verstörung, die geschickte Klanganordnung eines stilistisch musikalischen ‚Verlorenseins…


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